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2. Ausflug der Übersetzter

am 29. Juni 2016 nach Laupheim

   

 

Ein Tagesausflug mit historischem Bezug zur Stadtgeschichte hatte am 29. Juli 2016, 42 junge Studenten der Universität Heidelberg und ihre Dozenten nach Laupheim geführt. Die Gruppe folgte damit der Einladung der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken (GGG) als Dank für ein wissenschaftliches Projekt im Rahmen eines Übersetzungsseminars der Universität. Die Studenten übersetzen dabei unentgeltlich das von der GGG im Jahre 2008 herausgegebene Gedenkbuch " Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung " ins Englische. Demnächst werden die Übersetzungen fertig gestellt sein, sodass das mehr als 600 Seiten umfassende Werk in deutsch und englisch im Internet gelesen werden kann.

Frau Liliana Löwenstein aus Argentinien hat ein freundliches Grusswort verfasst, welches Sie unten Nachlesen können. Frau Elisabeth Lincke hatte es nach dem Mittagessen vorgetragen.

Liebe Frau Lincke,
lieber Herr Schick und Mitglieder der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken,
an erster Stelle bedanke ich mich sehr herzlichst, dass Sie mir auch in diesem Jahr anlässlich des Besuches in Laupheim der Übersetzer und Lektoren die Gelegenheit geben, ein Grußwort zu verfassen. Somit setzen wir auch diese im Mai 2015 entstandene Verbindung zu Laupheim kontinuierlich fort.
Seitdem haben neue Erfahrungen und Erlebnisse mein Leben bereichert und neu geprägt. Die Ausstellung „Jüdisches Leben in Konstanz – Blütezeit und Vernichtung“ sowie das Gedenkbuch „Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung“ von Frau Dr. Köhlerschmidt und Herrn Neidlinger waren ein Auslöser, um mich mit meiner Familiengeschichte erneut auseinanderzusetzen.
Meine Großmutter väterlicherseits, Berta Guggenheimer, wurde am 28.04.1886 in Laupheim geboren. 1912 heiratete sie in Laupheim meinen Großvater, Heinrich Löwenstein (aus Rexingen), und zog mit ihm nach Konstanz. Am Bodensee kamen 1914 und 1916 zwei Söhne zur Welt, Walter und Kurt, die die Eltern 1936 für ein freies Leben und eine bessere Zukunft nach Argentinien schickten. Erst 1940 konnten meine Großeltern dank der großen Bemühungen ihres Sohnes Kurt in Argentinien den letzten Wohnsitz in Konstanz - ein sogenanntes Judenhaus - verlassen und somit der Deportation und Vernichtung entkommen und ihr Leben retten.
Als meine Großmutter Berta 1965 in Buenos Aires verstarb, war ich 4 Jahre alt, und 8 Jahre war ich als mein Vater Kurt starb. Mein Großvater verstarb schon vor meiner Geburt. Der Bruder meines Vaters starb im Alter von 22 Jahren kurz nach seiner Ankunft in Argentinien. Von meiner Familie väterlicherseits wußte ich eigentlich wenig und nur was mir meine Mutter erzählen konnte.
Als ich das Gedenkbuch „Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung“ auf der Homepage der Gesellschaft für Geschichte und Gedenken in Laupheim entdeckte, bekamen plötzlich alte Dokumente meiner Großeltern und meines Vaters eine neue Bedeutung für mich. Diese alten Dokumente und Fotografien waren auf einmal nicht nur Papier sondern ein Stück Leben meiner Vorfahren. Dank dem Gedenkbuch erfuhr ich zum ersten Mal ausführlich über meine Laupheimer Wurzeln.
Zum ersten Mal bekamen für mich Namen auch Gesichter. In einem von meiner Großmutter aus Deutschland mitgebrachten Gebetbuch von ca. 1853 trug sie die Namen ihrer Eltern und Geschwistern mit dem jeweiligen Sterbedatum und Ort ein. Nun weiß ich, wie die umgebrachten Brüder Karl und Leopold aussahen. Nun weiß ich, wie meine Oma im Schulalter aussah, ebenso ihr Bruder Heinrich. Nun weiß ich, dass sie und alle ihre Geschwister in Laupheim die Jüdische Volksschule besuchten. Nun weiß ich, dass meine Großmutter im März 1940 wissend, dass sie ihre Mutter nie mehr sehen würde, sie in Deutschland zurück gelassen hat. Nun weiß ich, dass meine Uroma Lina die letzten 16 Monate ihres Lebens zusammen mit ihrem geistig behinderten Sohn Karl im Jüdischen Altersheim als Zwangswohnsitz und Vorstufe der Deportation für Karl verbracht hat. Meiner 80-jährigen Uroma blieb dank ihres natürlichen Todes die Deportation erspart. Nun weiß ich, dass mein Großonkel Karl als jüdischer Pflegling der Pflegeanstalt Heggbach bis zu seiner Deportation nach Riga und Hinrichtung zugewiesen war. Nun weiß ich, dass auf dem Jüdischen Friedhof in Laupheim auf der Gedenktafel auch an Karl und Leopold Guggenheimer gedacht wird.
Die Ausstellung in Konstanz bewegte mich dazu, dorthin zu reisen und für meine Großeltern Berta Guggenheimer und Heinrich Löwenstein sowie für ihre Söhne Kurt und Walter Stolpersteine vor dem Haus, in dem sie von 1912 bis ca. 1935 wohnten und glückliche Jahre ihres Lebens mit ihren Kindern verbracht haben, verlegen zu lassen. Ebenso plante ich einen Besuch in Laupheim, um dort das Grab meiner Urgroßeltern Lina und Josef Guggenheimer sowie das Haus in der Radstraße 23, in dem sie mit ihren Kindern gewohnt haben, zu besuchen. Auch hier hätte ich sehr gerne Stolpersteine verlegen lassen, aber dies ist in der Stadt Laupheim nicht üblich. So erfüllte Herr Schick in liebenswerter Weise meinen Wunsch und ließ eine kleine Gedenkplatte für das wunderbar erhaltene und von ihm gepflegten Grab meiner Urgroßeltern fertigen. Er selbst hat die Gedenkplatte und das sie tragende Steinpult installiert, und ich bin ihm dafür ewig und herzlichst dankbar.
Auf der Gedenkplatte ließen wir den Satz aus dem Talmud „Wisse, woher du kommst und wohin du gehst“ eingravieren. Dieser Satz inspirierte mich auch für meine Rede zur Stolpersteinverlegung in Konstanz am 5. Oktober 2015.
Diese Gedenkplatte sowie die Stolpersteine sind für mich eine aktive Erinnerung, ein Ausdruck davon, dass diese Menschen hier gelebt haben und ihre Namen nicht vergessen wurden und auch nicht in der Zukunft durch die heranwachsenden und kommenden Generationen vergessen werden dürfen.
Ein Besuch in Laupheim hätte ich mir vorher niemals vorgestellt, aber dank dem Gedenkbuch von Frau Köhlerschmidt und Herrn Neidlinger hatte ich nun einen konkreten Bezug, und dieser Besuch in Laupheim wurde nun am 6. Oktober 2015 wahr. An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmal bei Frau Lincke und bei Herrn Schick für Ihre liebevolle Aufnahme und Betreuung von Herzen bedanken.
Erlauben Sie mir bitte auch noch an dieser Stelle meinen großen Dank an Frau Nathanja Hüttenmeister vom Steinheim Institut für deutsch-jüdische Geschichte in Essen auszusprechen. Vor einigen Jahren fand ich auch dank ihrer wissenschaftlichen Arbeit über die jüdischen Friedhöfe in Deutschland ein Bild von dem Grab meiner Urgroßeltern Lina und Josef Guggenheimer auf dem Jüdischen Friedhof in Laupheim. Auch damals hatte ich mir noch nicht vorgestellt, jemals diesen Friedhof zu besuchen. Nun hat mir Frau Hüttenmeister auch bei meiner weiteren Spurensuche mütterlicherseits geholfen. Mit Ihrem unschätzbaren Wissen half sie mir, das Grab meines 1926 in Breslau verstorbenen Großvater mütterlicherseits auf dem Neuen Jüdischen Friedhof (Cosel-Friedhof) im heutigen Wroclaw/Polen zu finden. Diesen Friedhof und diese Stadt, die auch Geburtsstadt meiner Mutter ist, besuchte ich vor zwei Monaten zum ersten Mal in meinem Leben und ich bin sicher, dass meine Spurensuche noch nicht beendet ist.
Auch den Schülern, die Jahr für Jahr freiwillig zur Pflege des Jüdischen Friedhofes in Laupheim beitragen und somit das Andenken ehemaliger jüdischer Laupheimer ehren, möchte ich ein großes und respektvolles Dankeschön aussprechen.
Und noch ein abschließendes Wort an die Übersetzer: in zahlreichen Familien in der Diaspora ist die deutsche Sprache nicht erhalten geblieben. In meinem Fall wurde die deutsche Sprache in meinem Elternhaus beibehalten, ich besuchte in Buenos Aires/Argentinien eine deutsche Schule und ergriff schließlich auch den Übersetzerberuf. Mit Ihrer so wertvollen und hilfreichen Leistung, das Gedenkbuch in die englische Sprache zu übersetzen, ermöglichen Sie bestimmt vielen Nachkommen den Weg zu ihren Wurzeln in Laupheim.
Auf diesem Weg zu unseren Wurzeln entstehen neue Brücken zur Heimat unserer Großeltern und Eltern. Und auf diesen Brücken treffen in der Heimat unserer Vorfahren neue Generationen von der einen und von der anderen Seite zusammen, und es wachsen neue freundschaftliche Beziehungen. Wir, die in der Diaspora aufgewachsenen Generationen, haben das Gefühl hierher zu gehören. In meiner persönlichen Erfahrung habe ich das große Glück gehabt, die heutigen Bewohner der Wohnung, in der meine Familie in Konstanz gelebt hat, bei der Stolpersteinverlegung kennenzulernen, und es ist eine tiefempfundene Freundschaft mit Gabriele und ihren Kindern Liv und Rune entstanden.
Auch hier in Laupheim habe ich einfühlsame Personen wie Herrn Schick und Familie und Frau Lincke kennengelernt, und ich weiß, dass die entstandene Beziehung fortdauern wird.
 
Liliana Löwenstein
Buenos Aires/Argentinien, 6. Juni 2016

 


   
   

 

Wir Danken unseren Sponsoren für die Versorgung

von bestem Gebäck, leckeren Würsten und kühlen Getränken:

 

Bäckerei Robert Baumgärtner - Laupheim

Bäckerei Mast - Untersulmetingen

Bäckerei Mäschle - Laupheim

Bäckerei Mangold - Laupheim

Metzgerei Angele - Walphertshofen

Metzgerei Bucher - Laupheim

Metzgerei Graf - Laupheim

Kronen-Brauerei-Laupheim

 

 

Wir Danken dem Planetraium Laupheim und Herrn Kiesle

für die gesponserte Vorführung mit dem Programm:

"Der Blaue Planet"

 

 

 

 

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