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Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

  Gedenkbuch Seiten 391 - 392

NÖRDLINGER, Julius,

Kapellenstraße 66

 

KARL NEIDLINGER

Julius Nördlinger, geb. 27.10.1867 in Laupheim, gest. 9.1.1933 in Laupheim, Thekla, geb. Leiter, geb. 29.3.1879 in Oberdorf, deportiert am 26.4.1942 nach Izbica/Polen.
Isidor, geb. 5.6.1905,
Bertha, geb. 24.1.1907,
Leopold, geb. 11.3.1911. 

 

Kurz vor dem Beginn der deutschen Katastrophe, welchen man mit dem 30. Januar 1933, dem Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, ansetzen kann, hat sich diese Nördlinger-Familie durch Heirat, Wegzug der Kinder und den Tod des Vaters aufgelöst. Der jüngste Sohn Leopold zog zum Jahresende 1932 nach Nauendorf bei Fürstenwalde in Brandenburg. Die Tochter Bertha heiratete im September 1932 Benno Strauß aus Lohr/Main und zog mit ihm dorthin. Der älteste Sohn Isidor war schon früher weggezogen, von ihm ist nur bekannt, dass er 1938 in den USA war. Am 9. 1. 1933 verstarb Vater Julius, Juler“ genannt, von Beruf Viehhändler, und wurde in Laupheim begraben. Kurz danach zog auch die Mutter Thekla von Laupheim weg zu ihrer Tochter Bertha nach Lohr/Main.

 

 

Mittlere Reihe, rechts: Bertha Nördinger als Schülerin der katholischen Mädchenmittelschule im Jahr 1918, neben ihr Steffi Rieger. Oben auf der Treppe: Alice Bernheim. Unten, von links: „Stadtwirts Senze, Emma Lämmle, Luise Mann. Die Schülerinnen dieser Schule waren zwischen 11 und 14 Jahre alt. (Aus: 100 Jahre Realschule, 1996)

 

Aus diesen Gründen gibt es kaum Material zu der Familie. Von den drei Kindern konnte nur zu Bertha ein Foto gefunden werden. Sie war im Jahr 1918 Schülerin der katholischen Mädchenmittelschule, welche trotz ihrer konfessionellen Ausrichtung immer wieder auch jüdische Schülerinnen hatte ein Zeichen des damaligen guten Miteinanders von Christen und Juden.

Wäre es bei dieser Sachlage geblieben, hätte man die Familie Julius Nördlinger auch weglassen können in diesem Buch, da sie im gesetzten Stichjahr 1933 fast nicht mehr existierte. Doch Thekla Nördlinger kam aus unbekannten Gründen

1935 wieder zurück nach Laupheim. Sie emigrierte nicht, sondern zog wieder in das Haus Kapellenstraße 66, das noch nicht verkauft war. Sie durfte dort aber nicht mehr lange bleiben. Schon im September 1939 wurde sie in das Jüdische Altersheim“, das ehemalige Rabbinat, zwangsumquartiert.

Auf dem Fotoausschnitt von dort ist sie ganz links zu sehen. Mit versteinertem Gesicht, gerade noch zu erkennen, sitzt sie an der Kaffeetafel neben deutlich älteren Menschen wie Helene und Karl Guggenheimer. Alle jüngeren Bewohner des Altersheims waren im No- vember 1941 nach Riga deportiert worden.

Am 24. April 1942 traf es dann drei weitere Frauen, die jüngsten, die noch verblieben waren: Hedwig Rosenberg, Selma Einstein und Thekla Nördlinger. Sie wurden nach Izbica in Polen deportiert, von wo sie nicht mehr zurückkehrten.

 

 

Im jüdischen Altersheim: Thekla Nördlinger, Helene Guggenheimer, Karl Guggenheimer, Arthur Grab (mit Brille). Am Fenster stehend eine junge Besucherin, vermutlich ist es Edith Weil.


 

 

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