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Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

Gedenkbuch Seiten 532 - 536 

ULLMANN, Bernhard,

Viehhändler, Radstraße 2

 

DR. ANTJE KÖHLERSCHMIDT

Bernhard, genannt Benno, Ullmann, geb. 19.1.1878 in Haigerloch, Emigration am 2.4.1941 nach New York, USA,
OO Sarah, geb. Bernheim, geb. 19.2.1886 in Laupheim, Emigration am 2.4.1941 nach New York, USA,
Sofie Ullmann, geb. 30.6.1911 in Haigerloch, Emigration am 28.10.1937 in die USA. 

Der Name Ullmann ist sehr wahrscheinlich ein Herkunftsname und deutet auf die Stadt Ulm, wo 1241 erstmals Juden erwähnt wurden. Nach ihrer Vertreibung 1499 wurde erst 1845/46 eine neue jüdische Gemeinde gegründet, die dann wie die Laupheims während der NS-Zeit zerstört wurde. Zwar kehrte das jüdische Ehepaar Siegmund und Resi Weglein, geb. Regensteiner, das im KZ Theresienstadt überlebt hatte, in ihre Heimatstadt nach Ulm zurück, doch erst nach über sechzig Jahren konnte ein neues jüdisches Gemeindezentrum am 5. Mai 2002 in Ulm eingeweiht werden, das von einer wieder erstandenen, lebendigen israelitischen Gemeinde zeugt und die kulturelle Vielfalt der Stadt belebt.

Bernhard (Benno) Ullmann

(Kreisarchiv Biberach)

 

 Jüdische Volksschule 1895: In der MitteSarah Bernheim, links Else Dworzan.

Der Namensträger, Bernhard – genannt Benno Ullmann, stammte aus Haigerloch, wo er am 19. Januar 1878 geboren wurde und aufgewachsen ist. Im Zuge seiner Tätigkeit als Viehzüchter und -händler ist er vermutlich bis ins Oberschwäbische gekommen, wo er seine zukünftige Ehefrau Sarah Bernheim kennengelernt haben dürfte. Sie war die Tochter des Viehhändlers Jakob Leopold (1856–1921) und Bertha Bernheim, geborene Nördlinger (1862–1913), und ist am 19. Februar 1886 in Laupheim zur Welt gekommen. Das einzige Foto, das es von ihr gibt, zeigt sie als etwa neunjährige Schülerin der jüdischen Volksschule Laupheim, an der zu jener Zeit Adolf Gideon als Lehrer tätig war.

Da weder die Eheschließung noch die Geburt der Tochter im Familienregisterband V des Laupheimer Standesamtes vermerkt wurde, ist davon auszugehen, dass Benno Ullmann und Sarah Bernheim wohl 1910 in Haigerloch, wo die Familie des Ehemannes ansässig war, geheiratet hatten. Am 30. Juni 1911 wurde ihr einziges Kind Sofie in Haigerloch geboren. Die folgenden Jahre verbrachte die Familie dort, ehe sie 1918 in das Elternhaus von Sarah Ullmann, geborene Bernheim, in die Radstraße 2 nach Laupheim umzog. Im Hause Ullmann lebten noch ihr Vater Jakob und ihr Bruder Theodor Bernheim. Ein Motiv für diesen Ortswechsel ist nicht überliefert.

Bernhard Ullmanns Wohnhaus und Stallgebäude an der Ecke Radstraße/Steinerstraße.
Das Stallgebäude mit einer beheizbaren Knechtskammer.
(Foto: K. Neidlinger)

Benno Ullmann hatte sich wie sein Schwager Theodor Bernheim 1919 in das von Jonas Weil angelegte Verzeichnis von Kriegsteilnehmern der israelitischen Gemeinde Laupheim“. eingetragen. Demzufolge war er seit dem 6. August 1914 in den Reserve-Infanterieregimentern 111 und 87 in Konstanz bzw. Villingen als Wehrmann eingerückt. Eingesetzt wurde er hauptsächlich an der Westfront, wo er in Schlachten in den Vogesen, Nordfrankreich und der Champagne kämpfte. Aus der Armee wurde er am 21. September 1918 entlassen.

Obwohl sein Schwiegervater Jakob Leopold Bernheim ebenfalls Viehhändler gewesen war, gründete Benno Ullmann eine nach ihm benannte Firma im Nutz- und Zuchtviehhandel in der Radstraße 2. Das Wohnhaus und der Stall, der aus einem kleinen Ziegelgebäude mit einer beheizbaren Knechtskammer bestand, stehen noch heute. Letzterer wurde nahezu im Originalzustand von den jetzigen Eigentümern restauriert. Weder über das geschäftliche noch über das private Leben der Familie Ullmann war Näheres in Erfahrung zu bringen. Gleiches gilt für die Tochter Sofie Ullmann. Obwohl es zahlreiche Fotos von der jüdischen Volksschule gibt, ist sie auf keinem abgebildet. Als junge Frau engagierte sich Sofie Ullmann als gewähltes Ausschussmitglied im jüdischen Jugendbund Laupheim. Nach ihrer Schulzeit wurde sie Stenotypistin sowie Kontoristin und wohnte bis zu ihrer Emigration am 28. Oktober 1937 in die USA bei ihren Eltern. Gemeinsam mit der zwei Jahre jüngeren Ilse Eppstein ging sie nach New York, während ihre Eltern noch in Laupheim zurückblieben, jedoch wahrscheinlich bereits darauf hin arbeiteten, ihrer einzigen Tochter in die USA zu folgen.

Doch um die dafür notwendigen zahlreichen Genehmigungen und schließlich das für die Einreise in die USA unabdingbare Affidavit zu erlangen, vergingen viele Monate. Am Ende waren es knapp vier Jahre.

Während dieser Zeit betrieb Benno Ullmann weiterhin seine Geschäfte im Viehhandel, der von Seiten der Nationalsozialisten systematisch behindert und letztlich in dem Maße untergraben wurde, dass die jüdischen Viehhändler von der Ausübung ihres Gewerbes nicht mehr leben konnten. In diesem Zusammenhang wird auf den Artikel von Emil Kahn verwiesen. Zu den massivsten Restriktionen, die die Nationalsozialisten über die jüdischen Viehhändler verhängten, die hauptsächlich vor Ort auf Bauernhöfen und Märkten geschäftlich aktiv waren, gehörte der Entzug der Gewerbelegitimationskarte bzw. des Wandergewerbescheins im Oktober 1938. Denn dieser hatte zur Folge, dass die jüdischen Viehhändler nur noch in den eigenen Stallungen Vieh handeln durften, was einem Berufsverbot gleich kommt. So befindet sich das Original dieser Karte von Benno Ullmann im Archiv des Landratsamtes Biberach, von der das abgebildete Passfoto stammt.

Das Haus in der Radstraße 2 verkaufte der Schwager Theodor Bernheim am 26. Mai 1939 an den Arbeiter Andreas Linder. Da es zu keinem Umzug von Benno und Sarah Ullmann kam, darf davon ausgegangen werden, dass wie vielfach üblich bis zu ihrer Auswanderung für sie Wohnrecht dort bestand. Schließlich konnten sie endlich am 2. April 1941 Nazideutschland verlassen und nach New York in den USA emigrieren. Das Dokument, das der Landrat in Biberach über die Geheime Staatspolizei Ulm an die in Stuttgart schickte, weist neben der Feststellung zur Auswanderung auf zwei weitere bemerkenswerte Fakten hin. So galt Benno Ullmann als vorbestraft, obgleich zumindest das erste beschriebene Delikt als Ordnungswidrigkeit einzustufen ist. Zugleich wurde eingeräumt, dass sich das jüdische Paar in Nazideutschland in „Existenzschwierigkeiten befand, was in Anbetracht der Schikanen der Nazis und der wenige Monate später beginnenden systematischen Deportation und Ermordung der deutschen Juden aus dem Kerngebiet nach Osten verharmlosend wirkt.

Über den weiteren Werdegang von Benno und Sarah Ullmann sowie deren Tochter Sofie in ihrer neuen Heimat war leider nichts in Erfahrung zu bringen.

 

 

  

Quellen:

Hüttenmeister, Nathanja: Der Jüdische Friedhof Laupheim. Laupheim 1998. S. 554. Kreisarchiv Biberach 034 BüNr.3, Az 6130, 6104 - 7.

Nachlass John Bergmann 5/24. Staatsarchiv Württemberg. 65/18 T 4.

Stadtarchiv Laupheim, FL 9811 - 9899 Ia, 9001-946. Standesamt Laupheim, Familienregister Band V.

Jonas Weil: Verzeichnis von Kriegsteilnehmern der israelitischen Gemeinde Laupheim.“ Laupheim 1919.

 

 

 

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